OMI Riesterer
Grafische Arbeiten

Durch diagonale Linien werden orthogonale Strukturen als dreidimensionale Körper erlebt.

Graphische Serien entstehen parallel zum plastischen Werk. Ihnen liegen zumeist Hochdruckverfahren zugrunde. In diesen erkundet OMI Riesterer die sich aus dem Konstruktionsprozeß ergebenden Oberflächengliederungen auf zweidimensionalem Bildträger. Es gilt, graphische Äquivalente zu den tektonisch organisierten Massen des bildnerischen Materials zu entwickeln.
Die zuvor als Module eingesetzten, konstruktiven Elemente erscheinen im Druck als farblich aktivierte, geometrische Formulierungen. Die in den Plastiken als umgrenzter Raum zutage tretenden Partien gehen als negative Flächenformen in den Druck ein. Ihre Erscheinung wird durch die umlagernden, farbigen Elemente definiert.
Die Konstruktionsmodule werden lediglich über ihre partielle Eigenschaft als Flächenformen in der graphischen Gestaltung sichtbar, dennoch stellen sich auch in der Fläche räumliche Konnotationen ein. Diese werden durch das Einbeziehen der Diagonalen in die Konzeption der geometrischen Formen aufgerufen. Dadurch erschließt sich eine perspektivische Lesart der betreffenden Elemente. Treten in der Wahrnehmung orthogonaler Strukturen zu Horizontale und Vertikale diagonale Linien oder Formbegrenzungen hinzu, so werden die Formen als dreidimensionale Körper erlebt.

Wie isometrische Darstellungen virtueller Architekturen.

Als Druckstöcke dienen verschiedenartige Materialien. Geometrische Formen werden in geschichtete Hölzer geschnitten oder in Kunststoffplatten geritzt und ohne Formverlust ausgebrochen. Sowohl die verbleibenden, erhabenen Partien werden im Druck umgesetzt als auch die herausgelösten Elemente. Diese können den im Druck negativ erscheinenden Leerstellen in weiteren Gestaltungsschritten als positive, farbige Formulierungen zur Seite gestellt werden. Tritt in den negativen Formen die Farbe des Grundes zutage, so kann das positive formale Pendant als Farbform aktiv an der Gestaltung der Komposition mitwirken. Bisweilen vervollständigen gezeichnete Partien die Druckgraphik. Sie erschließen das tiefenräumliche Potential der gedruckten Flächenformen im Lineament.

Die Graphiken variieren in der Zusammenstellung unterschiedlicher, stets gedeckter Farben mit Schwarz und Weiß. Die Farbe des Grundes kann in zahlreichen Arbeitsschritten mehrfach überdruckt werden. Das geometrisch angelegte Bildfeld präsentiert sich als formales Kontinuum, dessen Geschlossenheit weiteren, dynamisch komponierten Formkonstellationen Raum gibt. Formale Einheit und diversifizierte Gestaltung der Module stehen sich auch in den graphischen Arbeiten als Spannungspole gegenüber. Die aus dem Druckstock herausgelösten Elemente können versetzt zu nicht druckenden Partien platziert werden; diese treten zudem über die Begrenzungen des quadratischen Bildfeldes hinaus und binden das Weiß des Blattes in die Gestaltung ein. Das Resultat sind räumlich lesbare Gebilde, die wie isometrische Darstellungen virtueller Architekturen anmuten.

Maria Lucia Weigel